Zurück zu Nullzinsen:
Die Implikationen für den Immobilienmarkt

19. Juni 2025

Am 19. Juni 2025 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins auf 0% gesenkt. Damit setzt sie die seit März 2024 laufende Lockerung der Geldpolitik fort; damals betrug der Satz noch 1.75%. Wie sich dieser Entscheid auf den Schweizer Immobilienmarkt und den hypothekarischen Referenzzinssatz auswirkt, wird in diesem Beitrag aufgezeigt.

Zusammenfassung

Gründe für die Zinssenkung

Ausschlaggebend für die jüngste Leitzinssenkung war die erneut rückläufige Teuerung (–0.1% im Mai 2025 gegenüber dem Vorjahresmonat) sowie der im Vergleich zum US-Dollar erstarkte Schweizer Franken. Die Zinssenkung ist auch eine Reaktion auf die erratische Zollpolitik der US-Regierung. Höhere US-Importzölle dämpfen einerseits die Inflation in der Schweiz und setzen andererseits die exportorientierte Industrie unter Druck. Vergleichen Sie dazu folgende Blogbeiträge von Wüest Partner:
US-Zölle: Regionale Betroffenheit (30. Mai 2025)
US-Zölle und Schweizer Konsumentenpreise: Welche Kanäle wirken? (6. Mai 2025)

Finanzmärkte antizipierten die Leitzinssenkung

Die Finanzmärkte hatten die geldpolitische Lockerung bereits vor dem offiziellen Entscheid eingepreist. So fielen die Renditen zehnjähriger Schweizer Staatsanleihen im Verlauf des Jahres 2024 deutlich und erreichten Anfang Dezember ein Zwischentief. Nach einem kurzen Zwischenanstieg haben sie seit März 2025 erneut einen Abwärtstrend eingeschlagen.

Sinkende Hypothekarzinsen

Ähnlich verhält es sich bei den Hypotheken. Besonders stark gesunken sind die Zinsen für kurzfristige Festhypotheken und für SARON-basierte Modelle. Letztere sind direkt an den Leitzins gekoppelt, weshalb die jüngste Senkung die Finanzierungskosten umgehend verringert. Allerdings bestimmen nicht nur Leitzinsen das Finanzierungsumfeld: Auch Regulierungsvorgaben wie Basel III, die Einlagenbasis der Banken und deren Bereitschaft zur Kreditvergabe spielen eine entscheidende Rolle.

Gestiegene Attraktivität von Immobilieninvestments gegenüber festverzinslichen Anlagen

Die jüngste Senkung des Leitzinses mindert die Attraktivität von Obligationen und festverzinslichen Bankeinlagen – Immobilien wirken damit noch verlockender. Mangels ertragreicher Alternativen könnte deshalb zusätzliches Kapital in den Immobilienmarkt fliessen. Bei einem Zinsniveau nahe null verliert Geld seinen Zeitwert; Investitionen werden tendenziell vorgezogen.

Wie sich der Entscheid auf die einzelnen Teilmärkte und den hypothekarischen Referenzzinssatz auswirkt, wird nachfolgend aufgezeigt.

Abbildung 1

Wohneigentum: Nullzinsumfeld beflügelt die Nachfrage

Nach den Leitzinssenkungen des Jahres 2024 verteuerten sich Einfamilienhäuser im 1. Quartal 2025 um 4.7 %, Eigentumswohnungen um 4.4 %. Die jüngste Zinssenkung dürfte den Aufwärtstrend aufgrund nochmals tieferer Finanzierungskosten verlängern – zumal die Neubautätigkeit die starke Nachfrage weiterhin nicht deckt.

Abbildung 2

Mietwohnungen: Weiterer Rückgang der Bestandesmieten zu erwarten

Auch Miethaushalte können profitieren. Unsere Modelle zeigen, dass der hypothekarische Referenzzinssatz per 1. Dezember 2025 von 1.50% auf 1.25% fällt. Nach der ersten Senkung im März 2025 öffnet sich damit bereits zum zweiten Mal ein Fenster für Mietzinsreduktionen.

Noch im 1. Quartal 2025 basierten rund zwei Drittel der Verträge institutioneller Vermieter auf einem Referenzzinssatz von 1.75%. Entsprechende Senkungsansprüche werden aufgrund der dreimonatigen Kündigungsfrist erst Ende Juni wirksam. Mit der erwarteten zweiten Anpassung werden zusätzlich Verträge auf Basis von 1.50% anspruchsberechtigt. Die Altbestandesmieten dürften deshalb 2026 in vielen Mietverträgen sinken.

Abbildung 3

Direkte Immobilienanlagen: Nachfrage nimmt weiter zu

Sinkende Hypothekarzinsen treiben – wie im Wohneigentumsmarkt – auch die Preise von Renditeliegenschaften. Mit einer Rendite von lediglich 0.3 % für 10 jährige Bundesobligationen (Mitte Juni 2025) gelten direkt gehaltene Immobilien für institutionelle Anleger zunehmend als Obligationenersatz. Besonders Wohnliegenschaften profitieren: Ihr tiefes Leerstandsrisiko, kombiniert mit einem knappen Angebot an erwerbbaren Objekten, erhöht die Zahlungsbereitschaft weiter. Entsprechend dürften sich die Nettoanfangsrenditen im laufenden Jahr rückläufig entwickeln.

Trotz der fehlenden Anlagealternativen sollten Investoren die Risiken sorgfältig prüfen. Regulatorische Eingriffe – etwa neu eingeführte Mietpreisdeckel – könnten die Werte mittelfristig drücken. Chancen bieten dafür selektiv gewählte Objekte im Geschäftsflächensegment.

Abbildung 4

Indirekte Immobilienanlagen mit Rückenwind

Wie Direktanlagen profitieren auch indirekte Immobilieninvestments vom sinkenden Zinsniveau. Am stärksten legten seit Jahresbeginn die börsenkotierten Immobilienaktien zu: Der WUPIX-A verzeichnete von Januar bis Ende Mai 2025 eine Performance von 16.7% und schlug den breit gefassten SPI (+8.9%) deutlich.

Kotierte Immobilienfonds entwickelten sich verhaltener. Der WUPIX-F gewann seit Jahresbeginn 3.9%, vor allem wegen eines schleppenden Starts. Seit Anfang März – parallel zu grösseren Turbulenzen an den Weltbörsen – zeigten sie jedoch Stärke: plus 6.5%, während der SPI gleichzeitig 2.9% verlor.

Auch im weiteren Jahresverlauf dürften indirekte Immobilienanlagen von den Leitzinssenkungen profitieren. Gerade vor dem Hintergrund geopolitisch bedingter Aktienmarktschwankungen könnten insbesondere Immobilienfonds in gemischten Portfolios als Stabilitätsanker wirken – zumal ihre Erträge in Schweizer Franken fliessen und damit kaum währungsbedroht sind.

Abbildung 5

Kapitalmarkttransaktionen weiter auf dem Vormarsch

Im Zuge der gestiegenen Börsenkurse fielen auch die Agios bei indirekten Immobilienanlagen höher aus. Besonders ausgeprägt ist der Anstieg bei Immobilienaktiengesellschaften: Zu Jahresbeginn lagen die Agios noch bei gut 10% und sind zwischenzeitlich auf rund 25% angestiegen.

Die gestiegenen Agios und die rückläufigen Finanzierungskosten – nicht zuletzt aufgrund der heutigen Zinssenkung – erleichtern und fördern die Mittelbeschaffung für die institutionellen Gefässe mit expansiver Strategie. Die ansteigende Tendenz seit der Phase der Zurückhaltung während der Zinsanstiege dürfte sich 2025 fortsetzen und sich in weiter zunehmenden Kapitalmarktaktivitäten niederschlagen. Erste Signale dafür liefern die bereits angekündigten Transaktionen für das laufende Jahr.

Abbildung 6

Baumarkt: Leichte Belebung erwartet

Die jüngste Leitzinssenkung dürfte auch im Baugewerbe gewisse Belebungstendenzen auslösen – wenn auch in moderatem Ausmass. Einerseits sinken damit die Finanzierungskosten für Bauvorhaben, was die Investitionsbereitschaft grundsätzlich stärkt. Andererseits ist im Tiefzinsumfeld allgemein mit steigendem Interesse an Immobilienprojekten zu rechnen.

Die strukturellen Hemmnisse für eine Ausweitung der Neubautätigkeit bleiben jedoch weiterhin bestehen: Nach wie vor ist Bauland knapp, Bewilligungsverfahren sind langwierig, und die regulatorischen Anforderungen hoch. Hinzu kommt, dass mit der Umsetzung von «Basel III final» zu Jahresbeginn die Kreditvergabevorgaben für Banken insbesondere im Bereich der Projektfinanzierung verschärft wurden. Dies dürfte die Finanzierungsbereitschaft für grössere Bauprojekte eher einschränken. Trotz bestehender Herausforderungen erwarten wir im laufenden Jahr jedoch mit einem Zuwachs der Neubautätigkeit.

Noch positiver präsentieren sich die Aussichten für die Umbautätigkeit. Hier wirken die gesunkenen Zinsen unmittelbarer, da kleinere Projekte in der Regel weniger stark durch regulatorische und planerische Hürden belastet sind.

Abbildung 7

Sinkende Mieten dämpfen die Inflation

Weil der Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik knapp 20 % des Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) beeinflusst, haben insbesondere die zuvor beschriebenen rückläufigen Bestandesmieten eine dämpfende Wirkung auf die Inflation. Aufgrund der erwarteten zweiten Referenzzinssatzsenkung wird die Inflation 2026 ceteris paribus um rund 20 bis 30 Basispunkte tiefer ausfallen, als dies der Fall wäre ohne Referenzzinssatzsenkung. Dabei handelt es sich jedoch um einen Einmaleffekt, der ab 2027 nicht mehr greift. Wir gehen daher insgesamt davon aus, dass der inflationstreibende Effekt der Mieten im laufenden und im kommenden Jahr weiterhin abnehmen und langfristig auf dem Niveau vor dem ersten Referenzzinssatzanstieg im Juni 2023 einpendeln wird.

Abbildung 8

Inflation knapp über null?

Insgesamt gehen wir für 2025 – trotz aktuell negativer Inflationsraten – von einem leichten Anstieg des Landesindex der Konsumentenpreise von 0.2% aus. Dies, weil einerseits jüngst der Ölpreis deutlich angestiegen ist und andererseits die Preisrückgänge, die zur aktuell negativen Inflation im Mai geführt haben, grösstenteils in der zweiten Jahreshälfte 2024 stattgefunden haben. Seit Beginn des Jahres zeigt der LIK jedoch eine leicht ansteigende Tendenz (+0.8% seit Januar 2025).

Bald wieder Negativzinsen?

Die Schweizerische Nationalbank schliesst eine Rückkehr in den Negativzinsbereich nicht aus. Dies würde etwa erfolgen, falls die Teuerung über längere Zeit negativ ausfallen sollte oder wenn sich der Schweizer Franken breit abgestützt aufwerten sollte. Der internationale Schuldenüberhang, anhaltende Zollstreitigkeiten und die Eskalation geopolitischer Risiken – insbesondere jüngst im Nahen Osten – sorgen für Unsicherheit an den Finanzmärkten. Der Franken könnte in diesem Umfeld als bewährter sicherer Hafen zusätzlichen Aufwertungsdruck erfahren. Unter diesen Bedingungen wäre es denkbar, dass die SNB bereits im laufenden Jahr wieder Negativzinsen einführt. Die Effekte von Negativzinsen auf den Immobilienmarkt dürften dann wiederum vielschichtig sein. Sie könnten den Kapitalfluss aus zinstragenden Anlagen in Immobilien verstärken, weil dort weiterhin positive Renditen winken. Gleichzeitig dürften aber die Finanzierungskosten weniger stark als zuvor sinken. Fällt der Leitzins unter null, geben Banken den Schritt bei SARON-Hypotheken erfahrungsgemäss nicht mehr linear an die Kundschaft weiter.

Fazit

Die jüngste Leitzinssenkung stärkt die Nachfrage nach zahlreichen Immobiliensegmenten. Einerseits verbessern sich die Finanzierungskonditionen, andererseits verlieren Alternativen wie Obligationen an Attraktivität, sodass zusätzliches Kapital in den Immobilienmarkt fliesst. Auch Mietende profitieren: Unsere Berechnungen zeigen, dass der hypothekarische Referenzzinssatz mit hoher Wahrscheinlichkeit per 1. Dezember 2025 auf 1,25% fällt. Damit entsteht für viele Haushalte innerhalb von neun Monaten der zweite Anspruch auf eine Mietzinsreduktion.